Pfister Heinz
Autor(in) Judith Steinheider
SAW 28
www.pfister-papierschnitte.ch
Der 1949 in Aarberg in der Schweiz geborene Papierschnittkünstler Heinz Pfister zeichnete bereits in seiner Schulzeit mit Begeisterung. Später beschäftigte er sich vor allem mit der Darstellung geometrischer Figuren und Cartoons. In Basel machte er zunächst eine Laborantenlehre. Den Anstoß, Scherenschnitte anzufertigen, erhielt er allerdings erst nach seiner Ausbildung zum Fachlehrer in den 80-er Jahren. Ein Fensterbild, das seine Frau für die Weihnachtsdekoration anfertigte, weckte seinen Ehrgeiz, diese Technik einmal selbst auszuprobieren. Da keine geeignete Schere zur Verfügung stand, schnitt er mit dem Federmesser in den weißen Karton. Heraus kam ein schiefer Weihnachtsbaum und mit genügend Fantasie waren auch einige Kugeln und Kerzen zu erkennen. Über die Jahre hinweg verfeinerte er seine Technik und als ihm 1983 ein Buch über chinesische Papierschnitte in die Hände fiel, war er endgültig vom „Papierschneide-Virus“ befallen. Bis heute hat ihn die Faszination dieser Kunst nicht mehr losgelassen.
Bis 1991 betrieb er das Papierschneiden als Hobby und Ausgleich zum beruflichen Alltag. Nebenbei besuchte er Zeichenkurse an der Kunstgewerbeschule Basel und fotografierte viel. Ende 1991 kündigte er seinen gut bezahlten Beruf als Ausbildungsleiter in einem Basler Chemieunternehmen und ging zusammen mit seiner Frau auf eine längere Weltreise. Mit einem Einfachticket flogen sie nach Mexiko City, Papier und Bleistift im Gepäck. Danach bereisten sie Länder Zentral- und Südamerikas, die Südsee, Neuseeland und Australien. Nach mehr als zwei Jahren und weiteren Auslandsaufenthalten in Indonesien, Malaysia und Thailand kehrten sie 1994 in die Schweiz zurück. Viele Skizzenblätter, Fotos, eine Menge Ideen und der Entschluss, sein Hobby zum Beruf zu machen, waren das Resultat der Reise. Pfister wagte den Schritt zum freischaffenden Künstler. Obwohl die Einkünfte aus dem Bilderverkauf für den Lebensunterhalt nicht ganz reichen, sagt er, dass er diese Entscheidung nie bereut hat.
Anfangs schnitt er aus schwarzem Papier vor allem Landschaften und Tiere, zum Beispiel Vögel, Fische, Hunde und Katzen. Aber schon sehr bald rückte der Mensch in den Mittelpunkt seiner künstlerischen Betrachtungen. Im technischen Bereich widmet er sich besonders folgenden Fragen: Wie kann man ausdrucksstarke, lebendige Gesichter darstellen? Wie schneidet man weinende, lachende, nachdenkliche oder wütende Gesichtsausdrücke? Wie kann man ein „zusammenhängendes“ Gesicht darstellen? Letzteres Problem löste er mit einer feinen Haarsträhne, die den Übergang zu den Augen, zu Nase und Mund bildet.
Nach seiner Weltreise entstanden überwiegend Papierschnitte von Reiseeindrücken und von Begegnungen mit Menschen aus verschiedenen Kulturen. Straßenszenen, Kinder aus Südamerika, asiatische Mütter mit ihren Kindern inspirierten ihn. Beim Schneiden lässt er so die Reise noch einmal Revue passieren. Im Laufe der Zeit beschäftigte er sich immer mehr mit dem Thema „Mode“. Es entstanden die ersten Streifenbilder. Die graphische Umsetzung seiner Ideen wurde ihm immer wichtiger. So zum Beispiel eine Technik, bei der das Motiv plastischer hervortritt, weil es mit dem Hintergrund korrespondiert. Auch eine immer stärkere Abstrahierung seiner Motive zeichnet sich hier ab.
Von der breiten Palette seines Schaffens kann man einen Eindruck bekommen, wenn man sich seinen Bildband „Traumstreifen“ ansieht oder einen Blick auf seine Homepage wirft (www.pfister-papier-schnitte.ch). Hier schreibt Hanspeter Eisenhut zu Pfisters Arbeiten: „Mal ist er filigran und verspielt, mal plakativ und prägnant… Ihm gelingt es, mit dem Skalpell aus einem Stück schwarzen Papier eine Dreidimensionalität zu zaubern, die nicht selten auch Mehrdeutigkeiten beinhaltet, hintergründig Surreales, Witziges, aber auch Mode und Erotik.“ Heinz Pfisters Ironie und Doppeldeutigkeit wird durch die Arbeit mit Wortspielen, ob nun als Bildinhalt oder als Titel, noch unterstrichen. Zum Beispiel „Gewissenskonflikt“: eine Dame mit einem Schwein an der Leine steht vor einer Metzgerei. „Fast feet“: eine Pommes-frites-Tüte, aus der mehrere Füße ragen oder „Ayers-Rock“: eine Dame mit Tupfenrock, im Hintergrund der berühmte australische Monolith. Auch ein Schuss Sinnlichkeit ist seinen Bildern oft beigemischt, wobei die Erotik nie plump oder obszön daherkommt. Oft dienen feine Spitzenunterwäsche oder ein filigraner Strumpf als Vorlage für seine aufwendigen Papierschnitte.
Im Winter lebt und arbeitet Heinz Pfister derzeit meist in Mexiko, wo er Zeit und Ruhe findet, um mehrere Stunden am Tag zu schneiden. Die Vorgehensweise bei seinen Papierschnitten ist dabei immer die gleiche. Zuerst fertigt er auf einem weißen Blatt Papier eine detailgenaue Skizze an, die er dann auf zwei Blatt schwarzes Papier montiert und mit dem Skalpell die weißen Flächen ausschneidet. Wie und ob sie in Papier geschnitten wirken, ist vorher nicht abzusehen. Je nach Motiv und Größe kann das Ausschneiden bis zu 25 Stunden dauern. Seine Formate belaufen sich von 15×25 cm bis 40×70 cm. Als Schnittunterlage dient ihm eine handelsübliche Unterlage. Seine Schnitte sind grundsätzlich aus einem Stück geschnitten, es ist nichts geklebt. Im Doppel gefertigt weisen sie keine Symmetrie auf, wie dies etwa bei Faltschnitten üblich ist. Von jedem Schnitt wird eine Druckvorlage für Karten erstellt, die auch zur Dokumentation dient. Bis heute sind es über eintausend Stück. Heinz Pfister bezeichnet sich selbst als Workaholic, dessen Tagesablauf durch Ideen sammeln, skizzieren und schneiden bestimmt wird. Er beginnt kurz nach dem Mittag und arbeitet dann bis spät in die Nacht, sieben Tage die Woche. So entstehen pro Jahr etwa 70 bis 80 Schnitte. Vier bis sechs Ausstellungen gehören zu seinem festen Jahresprogramm.
(Frei übernommen nach dem Artikel „Mode, Weiblichkeit und Erotik“ von Heinz Pfister und nach www.pfister-papierschnitte.ch)
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