Tagebuch der Begegnungen
Die Kunstwerke Ursula Vögtlins zeichnen sich durch eine vielfältige Bildsprache aus. Zentral ist für sie die Darstellung von Mensch, Natur und Kultur, die sie in unterschiedlichen Techniken, wie Grafik, Aquarell oder aber auch Plastik ausübt. Die Bilder sind für sie ein „Tagebuch der Begegnungen. Die pensionierte Lehrerin besuchte diverse renommierte Kunst-Institutionen, um ihr gestalterisches Vermögen zu schulen, so z.B. an der Folkwangschule für Gestaltung in Essen, an der Akademie der bildenden Künste in Trier oder an der Schule für Gestaltung in Basel.
Aus dem Scherenschnitt entwickelte sie 1993 eine eigene Mischtechnik – eine Kombination aus Scherenschnitt (Grafik) und Aquarell (Malerei), die sie „Aquarell-Papierschnitt“ nennt:„Sobald ich mich in einer Technik gut auskenne, reizt mich eben eine neue“, erklärt Ursula Vögtlin. Die schwarzen Papierlinien- und flächen, die eine leichte reliefartige Wirkung evozieren, werden in Farbe weitergestaltet. Es entsteht ein überaus harmonisches Ganzes.
Seit 1985 übt Ursula Vögtlin die Technik des Scherenschnitts aus und seit diesen Anfängen bezog sie u.a. ihr Themenrepertoire aus dem religiösen Leben. Sicherlich trug ihr christliches Elternhaus sowie ihre Ausbildung zur Religionslehrerin hierzu bei. So stellte sie „Laufentaler- und Thiersteiner Kapellen im Scherenschnitt in Kombination mit geschichtlichen Texten dar, oder sie geht den Kreuzwegstationen Christus nach, die als Buchmanuskript vorliegen.
Der Aquarell-Papierschnitt „Frau am Jakobsbrunnen“ ist eine bildliche Auslegung des Johannes-Evangeliums (4-5, 42): Jesus bittet um die Mittagszeit eine samaritanische Frau um „lebendiges Wasser“. Damals bedeutete „lebendiges Wasser“ fließendes Wasser, etwa Wasser aus einem Fluss. Mit diesem damals vertrauten Bild vergleicht Jesus das Geschenk Gottes, im Glauben an ihn von aller Schuld befreit zu werden. Ursula Vögtlin gelingt es mittels Rot- und Gelbtönen die Stimmung zur Mittagszeit im Betrachter zu beschwören. Die Figur des Jesus löste sie in eine Quelle auf – eine Quelle, die ewig sprudelt, die bis ins ewige Leben reicht. Das Wasser symbolisiert hier den Heiligen Geist, der all denen verheißen ist, die das Angebot Gottes annehmen.
Ein anderer Aquarell-Papierschnitt bezieht sich auf „Petrus am See Tiberias“ (Joh, 21, 1-14): Die Jünger, unter ihnen auch Simon Petrus, beschließen zu fischen. Aber während der ganzen Nacht fangen sie nicht einen Fisch. Als die Sonne aufging, stand Jesus am anderen Ufer. Die Jünger wussten aber nicht, dass er es war, denn Jesus erscheint seinen Jüngern nach seiner Kreuzigung. Auf sein Geheiß hin werfen sie die Netze erneut aus und fangen hundertdreiundfünfzig Fische. Ein Jünger erkennt Jesus und sagte zu Petrus: „Es ist der Herr!“ Daraufhin sprang Petrus in den See Tiberias und schwamm zu Jesus.
Ursula Vögtlin hält diesen dramatischen Moment fest. Für sie will Petrus allerdings über das Wasser laufen, er zweifelt an sich und droht im Wasser zu versinken. Im Profil mit abstrahiertem Arm, der aus dem Wasser ragt, sehen wir Petrus. Jesus als abstrahierte Figur am anderen Ufer hebt seinen Arm. Eine Art Glorie umgibt ihn. Mit dieser Interpretation der biblischen Szene verweist Ursula Vögtlin auf die Wirkkraft Jesus, die auch nach seinem Tod nicht endet, der Zweifelnde findet zu seinem Glauben.
„Stella maris“ – Meerstern – ist ein schmückender Name für Maria. Unter diesem Namen ist sie die Schutzpatronin der Seefahrer und symbolisiert den rettenden Stern, der ihnen den Weg weist. Als Stern der Meere hier dargestellt, trägt Maria ihren Sohn auf dem Arm. Sie leuchtet den Hilfesuchenden und zeigt ihnen den Weg. Inspiration für dieses Bild war ein stürmischer Sonntagmorgen in Irland. Ursula Vögtlin saß am Meer und hörte die ferne Melodie des Liedes „Meerstern ich dich grüße, oh Maria hilf“. „Vor meinem inneren Auge sah ich Seefahrer in Not, die verzweifelt um Hilfe riefen, und so verschmolz der Inhalt des Liedes mit dem Strand und dem Meer, an dem ich saß. Die Idee zum Bild war geboren“, erinnert sie sich.
Ursula Vögtlin findet für die vorgestellten biblischen Szenen eine abstrahierende Bildsprache, die es erlaubt, Raum zu lassen für eigene Interpretationen. Sie hebt die Symbolik der Texte hervor, indem sie sie in ihre ganz eigene Bildsprache übersetzt.
Mein Dank gilt Frau Vögtlin für Ihre Unterstützung.
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