Tannert Adolf

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* 15.02.1839 in Bad Schandau
? 18.06.1913 in Dresden
Autor(in)   Manfred Schober
aus Vereinszeitung SAW 11

Das künstlerische Lebenswerk des Sebnitzer Scherenschnittkünstlers Adolf Tannert
blieb lange Zeit einer breiten, an der Scherenschnittkunst interessierten Öffentlichkeit unbekannt.
Erst dass im Jahre 1959 im Dresdner Verlag der Kunst erschienene, von Johanne Müller verfasste Büchlein „Schattenbilder und Scherenschnitte“ ordnete sein Werk in die Geschichte des deutschen Scherenschnittes ein. Nach dem Urteil der Verfasserin ist Tannert in der deutschen Scherenschnittkunst „ein ganz Eigener“, einer, der „Mundart“ mit der Schere sprach. Sein Werk zeichnet sich durch den Realismus des Dargestellten aus.
Das ist kein Zufall, sondern leitet sich aus dem Lebenslauf des Künstlers und den Ursachen ab, die ihn zum Schneiden von Schattenrissen anregten Adolf Tannert, der am 15. Februar 1839 in Schandau (Sachsische Schweiz) als Sohn eines Buchbindermeisters geboren wurde, soll seit seinem 7. Lebensjahr Scherenschnitte gefertigt haben. Es ist anzunehmen, dass die Freude des Jungen an solcher Betätigung durch die Bücher, Volkskalender sowie Bilder und Ausschneidebögen, die der Vater einband und verkaufte, geweckt und gefördert wurde.

Nach der Schulzeit in Schandau begann Tannert in der Buchdruckerei von Stopp in Sebnitz eine Lehre als Schriftsetzer und Lithograph. Zugleich übersiedelte er in die nur wenige Kilometer von seinem Geburtsort entfernt liegende Kleinstadt Sebnitz, wo er bei den Großeltern mütterlicherseits wohnte. In Sebnitz fand Adolf Tannert eine nur im Stadtgebiet gepflegte weihnachtliche Volkskunstgestaltung vor, das sogenannte Schattenspiel. Diese von den Familien seit etwa der Mitte des 19. Jahrhunderts gebastelten Gebilde waren keine Schattentheater, wie der Name vermuten lässt, sondern eine Sanderform der Weihnachtspyramide und wurden an der Stubendecke aufgehängt.
Das etwa 100 – 180 cm hohe, turm-, tempel- oder ampelförmige Gehäuse eines Schattenspiels besteht aus einem Holzgerüst. Die Außenwände und das Dach sind mit Ornamentschnitten und Leuchtbildern oder auch nur mit einfachen Flächen aus durchscheinendem Papier versehen.

Das Schattenspiel gleicht äußerlich einer großen Laterne. Im Inneren des Gehäuses befindet sich eine Trommel, die sich um eine hölzerne Mittelachse (an deren oberem Ende befindet sich ein Flügelrad) dreht. An der Außenwand der Trommel sind auf mehreren übereinanderliegenden Etagen geschnittene Einzelfiguren oder Genreszenen befestigt. Eine in das Schattenspiel gestellte kleine Lampe oder Kerze bewirkt, dass das Gehäuse von innen heraus beleuchtet ist. Zudem bringt die zum Flügelrad aufsteigende Warme dasselbe mit der dranhängenden Trommel in Bewegung und bewirkt, dass die von den Scherenschnitten an die durchscheinenden Papierfelder geworfenen Schatten „zu laufen“ beginnen. Vor der Obersiedlung Tannerts nach Sebnitz hatten die Schattenspielbauer die Bild- und Ornament-schnitte entweder selbst gefertigt, von geschickten Leuten bezogen oder auch die Figuren aus Büchern oder Bilderbogen herausgeschnitten. Im Bedarf van Scherenschnitten für Schattenspiele fand Adolf Tannert ein ideales künstlerisches Betätigungsfeld.

Bereits 1855 inserierte der 16-jährige in der Sebnitzer Ortszeitung: “Schattenspielfiguren verkauft billig und nimmt Bestellungen an“. Sein Angebot griffen damals und in den nachfolgenden Jahrzehnten viele Sebnitzer auf, die sich ein Schattenspiel bauten oder bauen ließen. Es ist überliefert, dass Tannert in der Wahl seiner in unterschiedlicher Scherenschnitt-Technik ausgeführten Arbeiten bereitwillig auf die Wünsche der Besteller einging.
Neben Bildern zu den 4 Jahreszeiten, der biblischen Weihnachtsgeschichte und Ornamenten waren das vor allem Szenen aus dem Alltagsleben der Menschen in Sebnitz und Umgebung. Beliebt waren auch Scherenschnitte, die stadtbekannte originelle Personen zeigten.

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Die Scherenschnitte mit Szenen aus dem Alltagsleben waren ureigenste Bildideen des Künstlers. Bei den Jahreszeitenbildern und den Bildern zur biblischen Weihnachtsgeschichte ließ er sich gerne van Vorlagen anregen, die er in Büchern, Zeitschriften oder in Münchner Bilderbogen fand.
Neben Genreszenen schnitt Tannert als Wandschmuck auch größere Landschafts- und Waldbilder, Glückwünsche, Leuchtbilder u. a. Bei den Landschafts- und Waldbildern erzielte er durch zwei übereinander geklebte Scherenschnitte (Hintergrund als Schwarzschnitt; Vordergrund als Weißschnitt) 03tannerteine effektvolle Raumwirkung. Eines von seinen großen Scherenschnitt-Waldbildern schenkte er im  Jahre 1909 dem Sebnitzer Stadtmuseum zur Eröffnung. Hier gehört es noch heute zu den Kunstwerken, die von den Besuchern am meisten bewundert werden. Adolf Tannert schnitt mit Ausnahme der Ornamentschnitte, wo er sich oft der Falttechnik bediente, aus freier Hand. Ais Material verwendete er neben Scherenschnittpapieren auch weiße Papiere, alte Rechnungen, Postkarten und zuweilen auch bedrucktes Zeitungspapier. Die aus bedrucktem oder beschriebenem Papier geschnittenen Arbeiten tuschte er nachher.

Das Verfertigen von Scherenschnitten war für Tannert nie berufsmäßiger Broterwerb. Er arbeitete bis ein Jahr vor seinem Tode, der ihn am 18. Juni 1913 nach einer Operation in Dresden ereilte, in der Druckerei der Sebnitzer Lokalzeitung als Schriftsetzer, Lithograph und Redaktionsgehilfe. Leute, die ihn kannten bzw. mit ihm zusammengearbeitet hatten, erinnerten sich, dass er ein guter gewissenhafter Facharbeiter war. Oft sprach er tagelang kaum ein Wort. Aber wenn man ihn nach etwas fragte, gab er freundlich Auskunft.

04tannertAdolf Tannert war verheiratet und lebte mit seiner Familie in bescheidenen Verhältnissen. Durch Sparsamkeit war es ihm gelungen, ein Grundstuck zu kaufen und darauf ein einstockiges Haus
bauen zu lassen. Bei einem Arbeitstag von 10 bis 12 Stunden blieben ihm nur die späten Abend-
stunden und die Sonntage für seine Kunst. Er schnitt wie ein „Besessener“.
Im höheren Lebensalter richtete er sich in den Sommermonaten in der Laube ein, die auf seinem Grundstück stand. In ihr konnte er ungestört arbeiten und zeichnen. Am späten Sonnabendnachmittag oder am Sonntag ging Tannert gerne bei jedem Wetter hinaus in die Natur. Er durchstreifte die Wälder und die Fluren der Umgebung von Sebnitz, beobachtete Pflanzen und Tiere und zeichnete und skizzierte.

Oft nahm er auch eine Pflanze, einen Pilz oder einen Käfer mit nach Hause, um sie daheim sorgsam05tannert
zu zeichnen und danach mit Wasserfarben auszumalen. In hellen Sommernachten soll er oft stundenlang unter Bäumen gelegen und die Schattenrisse der sich gegen den Himmel abzeichnenden Baume studiert haben.
Unter den Sebnitzern war Adolf Tannert schon zu Lebzeiten eine bekannte Persönlichkeit. Ansonsten wurde sein Scherenschnittwerk in der Öffentlichkeit kaum beachtet. 1911 oder 1912 zeigte „Werkmeisters Kunstsalon“ in Berlin bei einer Scherenschnitt-Ausstellung auch einige Arbeiten von Tannert.

Um den Nachlass kümmerte sich das Sebnitzer Heimatmuseum erst einige Jahrzehnte nach seinem Tode. Zu dieser Zeit war schon vieles verloren gegangen oder vernichtet. Dennoch gelang es dem Museum im Lauf der Zeit, eine Anzahl Originalschnitte und Reproduktionen von Scherenschnitten, die sich in privater Hand befinden, in seinen Besitz zu bringen und in einem besonderen Raum auszustellen. Außerdem besitzt das Museum je eine Mappe Zeichnungen und Naturstudien von ihm sowie Erinnerungsstucke und Dokumente zu seinem Leben. An seinem Wohnhaus auf der Heiligen Leite in Sebnitz wurde 1950 eine Gedenktafel angebracht. Ferner tragen in der Stadt eine Schule und eine Straße seinen Namen. Das Grab wird von der Stadt erhalten und gepflegt.

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Literatur:
Petraschk, Margarete: Adolf Tannert. Scherenschnitte – Zeichnungen, Sebnitz 1963. 
Sebnitzer Hirtenhäuser und Schattenspiele. Sachs. Heimatblatter 9. Jg, H. 6, S 528 – 533. Dresden 1963.
Schober, Manfred: Sebnitzer Volksleben und Landschaft in Scherenschnitten von Adolf Tannert (1839 – 1913). Sebnitzer Heimathefte, H. 2. Sebnitz 1998 – Viele Abbildungen und weitere Literaturangaben. (Siehe die Besprechung, dieses Heft Seite 4.)

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