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Bibliotheken in Deutschland: Regionalbibliothek Neubrandenburg
Gudrun Mohr
Wer auf halbem Weg zwischen Berlin und der Ostsee eine Pause einlegen möchte, ist gut beraten, in Neubrandenburg von der Bundesstraße 96 links herum abzubiegen, um nach kurzer Strecke genau im Stadtzentrum anzukommen. Neben freundlicher Beherbergung und nahrhafter Beköstigung – schon Theodor Fontane schwärmte: „Nirgends habe ich glücklichere Stunden verlebt als in Neubrandenburg, das, wenn ich vor 55 Jahren von Ruppin nach Swinemünde fuhr, Mittagsstation war, und welche!“ – findet er hier auch reichlich geistige Nahrung. Direkt am Marktplatz steht seit über vierzig Jahren das „Haus der Kultur und Bildung“ – inzwischen ein Baudenkmal der DDR-Architektur – und in ihm u.a. rund 300 000 Bücher, Zeitschriften u.a. Medien, wie es heute ja heißt. Sie machen den Fundus der Regionalbibliothek Neubrandenburg aus und beherbergen, in Museen, Bibliotheken, Archiven ja nichts außergewöhnliches, eine Reihe Kostbarkeiten, von denen so mancher kaum etwas ahnt. Da gibt es beispielsweise eine zahlenmäßig zwar kleine, aber deshalb nicht weniger wertvolle Sondersammlung historischer Kinderbücher. Den Grundstock dafür trug die Heimatforscherin und Sammlerin Annalise Wagner (1903-1986) aus Neustrelitz zusammen, die ihren Nachlass per Testament dieser Bibliothek vermachte. Sie war es auch, die 1972 versuchte, mit einer schlichten Broschüre über Johanna Beckmann (1868-1941; s.a. „Schwarz Auf Weiß, Nr. 17/1997 S.6 ff) die Erinnerung an die Scherenschnitt-Traditionen im Mecklenburgischen wach zu halten. Der Name der Künstlerin spielt dabei bekanntlich eine besondere Rolle, denn die benachbarte Kleinstadt Burg Stargard sah die Künstlerin zeitlebens als ihre eigentliche Heimat an. Auf dem Städtischen Friedhof ist ihre Grabstätte dort noch vorhanden. Seit einigen Jahren trägt auch eine Straße ihren Namen, sonst aber erinnert keine Gedenkstätte oder Ähnliches an diese bemerkenswerte Bürgerin der Stadt – leider. Hier nun ist die Neubrandenburger Bibliothek erst einmal in die Bresche gesprungen und hat im Rahmen des weiteren Ausbaus ihrer Sammlung historischer Kinderbücher Veröffentlichungen von Johanna Beckmann antiquarisch erworben. Der Katalog (im Internet unter www.bibliothek-nb.de) weist momentan unter dem Namen der Künstlerin 31 Eintragungen auf.
Der Umstand, dass Johanna Beckmann 1906 zusammen mit dem Charlottenburger Lehrerverein eine besondere Ausgabe von Andersen-Märchen erarbeitete und mit ihren Scherenschnitten illustrierte, bot sich als inhaltlicher Anknüpfungspunkt für ein anregendes Lesungs-, Ausstellungs- und Scherenschnitt-Programm an, mit welchem die Bibliothek auf den 200. Geburtstag des großen Dänen reagiert.
Schüler einer Klassenstufe der Grundschule „Hans-Christian-Andersen“ in Neubrandenburg wollen sich mit dem Märchen von der Schneekönigin beschäftigen und ihre Eindrücke in Scherenschnittarbeiten umsetzen. Ihre Kreationen und die der Schüler aus Burg Stargard (s. Seite 28) werden von April an allen großen und kleinen Märchenlesern, Scherenschnittfans und überhaupt allen Leseratten und Kunstfreunden der Region in einer umfangreichen Ausstellung gezeigt. Scherenschnitt-Bücher aus den Beständen der Bibliothek, Andersen-Märchenbücher und die Originalschnitte von Käthe Reine ( s.a. „Schwarz Auf Weiß“ Nr. 21/ 2002, S. 10ff) werden wieder zu sehen sein. Alle Akteure freut besonders, dass Frau Margarete Rhades ( s. „Schwarz Auf Weiß“ Nr. 24 / 2004 S. 15 ff) zusagte, sich in ihrer alten mecklenburgischen Vaterstadt Neubrandenburg beim Schneiden der „Blumen der kleinen Ida“ am 7. Mai 2005 über die Schulter schauen zu lassen.
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