Meisterin des Scherenschnitts im Barock
Um 1650 und um 1700 erreichte das Medium Scherenschnitt in Westeuropa einen ersten Höhepunkt. Zeugnis hierfür sind die Werke Johanna Koerten-Bloks (1650-1715). Sie war seit 1691 mit Adrian van Blok, der einem wohlhabenden Amsterdamer Geschlecht entstammte, verheiratet. Johanna Koerten-Blok zeigte wie Anna Maria van Schurman (1607-1678) vielseitige Anlagen in den weiblichen Künsten. So zeichnete sie sich in der Stickarbeit, im Spitzen nähen, im Wachsmodellieren, Schönschreiben und im Musizieren aus; sie schnitt mit einem Diamanten Muster in Kristall und zeichnete Blumen so lebendig und vollkommen, dass man sie kaum von natürlichen unterscheiden konnte. Außerdem fertigte sie Blumen und andere Zierarten in Seide.[1]
Doch erlangte Johanna Koerten im Gegensatz zu Anna Maria van Schurman allein durch ihre Scherenschnitte Berühmtheit. Houbraken führt in seiner Schouburgh aus, dass er Johanna Koerten nur auf Grund ihrer Schnittbilder in seine Enzyklopädie aufnahm:
„Sie war von Jugend auf geneigt, Künste und Wissenschaften zu lernen, – und wenn sie sich ganz der Malerei gewidmet hätte, würde sie es ohne Zweifel weit darin gebracht haben. Aber sie verlegte sich darauf, mit der Schere mannigfaltige Gegenstände aus Papier auszuschneiden, und dies glückte ihr so sehr, dass sie sich einen dauernden Namen machte und ich hinreichenden Grund finde, ihrer unter den Künstlern und Künstlerinnen zu gedenken […].“
Die Zeitgenossen würdigten die Scherenschnitte als ihre Erfindung. Sie wurde zu einer Sehenswürdigkeit Amsterdams. Zahlreiche Monarchen, wie Zar Peter der Große, Kurfürst Johann Wilhelm von der Pfalz oder Mary Stuart, die Frau König William III., besuchten sie um ihre Kunstwerke zu bewundern und zu erwerben. Zu jener Zeit galt das Medium Scherenschnitt als ein beliebter Freizeitspaß wohlhabender Damen. Das Schneiden von kunstvollen knipsels galt als Bastelarbeit, die von vielen ausgeübt wurde. Die Schnittbilder Johanna Koerten-Bloks müssen aus diesem Diskurs herausgeragt haben. Man rühmte, dass sie mit der Schere sticken, malen und bildhauern konnte und den Scherenschnitt zu einer wahren Kunst erhoben habe.
Gemäß dem barocken Geschmack würdigten die Zeitgenossen allgemein die technische Virtuosität der Schnittbilder. Die präzise Wiedergabe von Details in den Schnittbildern bedurften großer Geduld. Der Kurfürst Johann Wilhelm von der Pfalz (1658-1718) soll Johanna Koerten-Blok für drei ihrer Bilder 1000 Gulden geboten haben. Doch lehnte sie das Angebot mit der Begründung ab, sie hätten ihr so viel Arbeit bereitet.
Die Innovation Koerten-Bloks liegt darin, dass ihre Schnittbilder wie Federzeichnungen wirkten. In ihrem Stammbuch ist zu lesen: „Das Papier verkehrte sich in ein Gemälde, das Auge wusste nicht, ob es eine Zeichnung oder ein Schneidewerk sah.“ Zeitgenössische Rezipienten berichten auch von der Anstrengung ihrer Augen beim Betrachten der „schaartekenkunst“ – der „Scheren-Zeichnungskunst“.
Literatur:
Arnold Houbraken: De groote schouburgh der Nederlantsche konstschilders en schilderessen. Amsterdam 1880, Bd. 1, S. 404.
J. D. C. van Dokkum: Hanna de knipster en haar concurrenten. Een studie over ould-hollandsche scharr-kunst. In: Het hius oud & nieuw. Heft 11, 13. Jg. (1915), S. 335-358.
Joke en Jan Peter Verhave: Geknipt! Geschiedenis van de papierknipkunst in Nederland. Zutphen 2008, S. 20 ff.
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