Doris Holzknecht
Autor(in) Otto Kirchner
SAW 07
Doris Holzknecht ist eine vielseitige Künstlerin. Ihre graphischen Arbeiten zeichnen sich durch Einfallsreichtum und Experimentierlust aus. Dies gilt auch für ihre Scherenschnitte. Anlässlich Ihres 70. Geburtstags wird im Januar 1998 eine Ausstellung in ihrem Heimatort Warmbronn stattfinden. Auf ihre Anregung hin wurden in der dortigen Bücherei seit längerem Ausstellungen durchgeführt.
Die Scherenschnitte von Doris Holzknecht wecken keine romantischen Gefühle; ihre Schwarzweiß – Schnitte wirken manchmal sogar aggressiv. Das ist umso erstaunlicher, als die Hilfsbereitschaft und die Menschenliebe der Doris Holzknecht fast grenzenlos sind. Es ist, als ob der Scherenschnitt keine Zugeständnisse oder Kompromisse dulde.
Die Pflanzenschnitte
Doris Holzknecht hat eine intensive Beziehung zur Natur. Es ist nicht nur das Wunder des Lebens, das den empfindsamen Menschen überwältigt, es ist der unendliche Vorrat an Formen, der die Künstlerin fasziniert. Diese Formen schneidet Doris Holzknecht direkt vor den Gegenständen der Natur. Rosen sind ein Motiv, das sie immer wieder geschnitten hat.
Durch das Fehlen der Farbe sind Blüte, Blatt und Stengel gleichberechtigt. Das Problem der Fülle löst Doris Holzknecht bei der Rosenblüte durch wenige Einschnitte in die schwarze Umrissform. Originell ist, wie sie den rechten Bildrand in den Rosenzweig auflöst. So, als ob sie versuchen wolle, die Trennung von Kunst und Natur aufzuheben.
Die meisten Pflanzenschnitte sind strenger als die Rose, wie z.B. die Palmenpflanze. Die lanzettartigen Blätter streben unruhig nach allen Seiten, der Rand dagegen ist ruhige, aber nicht gleichmäßige Begrenzung: dem massiven Boden ist ein schwächeres Oben entgegengesetzt, die dünneren Seiten scheinen durch die Kraft der Pflanze etwas nach außen gedrückt zu werden.
Einfluss der Graphik
Doris Holzknecht wird öfters als Graphikerin bezeichnet. Sie ist, außer mit Scherenschnitten, mit Zeichnungen, Aquarellen, Radierungen, Siebdrucken, Linol- und Holzschnitten, in zahlreichen Ausstellungen an die Öffentlichkeit getreten. Von der Kritik wurde sie deshalb als „vielseitige Künstlerin” bezeichnet.
Der Scherenschnitt nimmt innerhalb ihrer Arbeiten eine besondere Stellung ein. Schon mit 5 Jahren habe sie zu schneiden begonnen, der Scherenschnitt sei „immer so mitgelaufen”. Durch die leichtere Handhabung von Schere und Papier, insbesondere gegenüber der Radierung, wurde der Scherenschnitt für sie immer wichtiger. Doris Holzknecht abstrahiert die Naturform beim Umsetzen in den Papierschnitt. Die Graphikerin „überwacht” dabei die Schwarzweiß – Verteilung mit strengem Auge.
Die Buchzeichen
Von Doris Holzknecht gibt es eine Reihe von hochformatigen Scherenschnitten; sie werden von ihr auf Kartonstreifen kopiert und als Buchzeichen verschenkt.
Neben „normalen” Schnitten (wie der Rose) verwendet sie dazu phantasievolle Faltschnitte. Doris Holzknecht bringt es fertig, trotz der harmonisierenden Symmetrie eine ungewöhnliche Spannung zu erzeugen. Das hat verschiedene Ursachen: einmal lässt sie die beiden Personen die Köpfe zusammenstoßen, dann stellt sie mit der Mittelsäule einen Raum her und erweitert diesen im unteren Teil zu einer Art Bühne, auf der zwei Personen sitzen und einem unsichtbaren Publikum ihren „Löffel” zeigen. Es ist, als ob eine ganze Geschichte erzählt würde. In dem Maskenturm benützt Doris Holzknecht die Symmetrie zur Darstellung der Gesichter. Sie trennt und verbindet zugleich die drei Masken durch die verschiedenartigen Strahlen und erzeugt das Turmgefühl, indem sie die Figuren nach oben kleiner werden lässt. Und was das Besondere ist: sie bleibt dabei ganz im Zweidimensionalen.
Gouache découpées
Doris Holzknecht verwendet immer wieder farbige Papiere, nicht nur als Hintergrund schwarzer Scherenschnitte, sondern auch als Material für farbige Arbeiten. Selbst eingefärbte, braungelbe Papiere verarbeitet sie zu abstrakten Gebilden, teilweise mit Flechtwerk, das sie über die Grundformen legt oder in sie einarbeitet.Diese Gebilde nennt sie gouache découpées. Sie sind von besonderem ästhetischem Reiz und spiegeln die Vorliebe der Künstlerin für die Farbnuancen des Rostes wider.
Es ist ein Musterbeispiel für die künstlerische Verarbeitung persönlicher Neigungen.
Fabelwesen und Monster
Während bei den gouache découpées Schönheit und Technik eine faszinierende Verbindung eingehen und eine wohltuende Ruhe ausstrahlen, sind die ausgeschnittenen Monster merkwürdig beunruhigend und irritierend. Man sieht oder spürt, dass sie sich dem Betrachter verschließen wollen, aber gleichzeitig geben sie Zeugnis von psychischen Spannungen, über welche die Künstlerin anders nicht reden kann oder will.
Solche Monster gibt es auch als Bleistiftzeichnungen. Der irritierende Eindruck wird hier noch verstärkt durch ein realistisches Auge, das einen emotionslos anblickt. Ist es das Künstlerauge, das so auf die Dinge und Menschen blickt?
Illustrationen zu Geschichten und Märchen
Doris Holzknecht hat eine ganze Anzahl Geschichten und Märchen mit Scherenschnitten illustriert; sie sind nur in Kleinauflagen für den Freundeskreis erschienen. Auch bei diesen Arbeiten findet sie originelle Bildlösungen, siehe Irmi beim Gänsehüten. Die Beine der Gänsehirtin bilden fast eine Reihe mit den Hälsen der Gänse, und aus den vereinigten Bäuchen ragen die Gänsefüße als Sterne hervor.
Doris Holzknecht hat immer wieder Artikel zu literarischen Themen geschrieben, auch über Christian Wagner. Dieser „Seher und Bramine” ist schon anfangs dieses Jahrhunderts für die mögliche Schonung alles Lebendigen eingetreten.
Nach einem Besuch des Sommernachtstraums hat Doris Holzknecht den Puck geschnitten (Titelbild). Dieser Scherenschnitt ist ein gelungenes Beispiel für den Wechsel von Schwarzweiß. Über die Figur des Puck schreibt Rolf Vollmann: „Puck, eine Elfe aus dem Sommernachtstraum, sehr über oder ganz neben den Menschen stehend, mit leicht sadistischen Zügen, auch etwas zotig, herzlos, fern: Aber im Recht, denn dieser Blick auf die Menschen ist ein wahrer Blick.” Auch wenn das zotig, herzlos nicht auf Doris Holzknecht passt, es ist eine Beschreibung der Künstlerpersönlichkeit.
Behütete Frauen und Portraits
Die geschnittenen Frauenköpfe von Doris Holzknecht sind keine sanften und geschönten Portraits, sondern kompromisslos in harte Schwarzweiß – Strukturen umgesetzte Kopf- und Gesichtsformen, bei denen Hüte eine wichtige Rolle spielen. Einerseits „behütet” der Hut den Kopf und schützt ihn, andererseits thront er auf dem Kopf und versucht ihn zu dominieren. Dieses Wechselspiel zwischen Kopf und Hut wird von Doris Holzknecht in immer neuen Variationen dargestellt. Sie sammelt die notwendigen Erfahrungen mit verschiedenen Modellen, die sie skizziert oder auch direkt schneidet. Die Skizzen werden von ihr zu fiktiven Portraits weiterverarbeitet. Mit Vorliebe verwendet sie dabei starke Kontraste, die sie auch ins Maskenhafte verändert oder sogar verzerrt. Nicht eine oberflächliche Ähnlichkeit ist das Ziel, sondern eine charakteristische Gesichtsstruktur.
Das schwarze Augendreieck ist verbunden mit dem gleichfalls schwarzen Nasenprofil, der geöffnete und deshalb weiße Mund ist eingefasst von harten Lippen. Die weiße Gesichts- und Halsfläche wird unterbrochen durch ein am schwarzen Ohr hängendes schwarzes Objekt. Die Perspektive des Huts ist eingeordnet in die Schwarzweiß-Komposition, auch die weiße Hand unter der Schulter wird scheinbar von ihr bestimmt. Gleichzeitig unterstreicht die Hand aber die aggressive Haltung des Kopfes, d.h. formale Struktur und Aussage lassen sich nicht trennen.
Doris Holzknecht begnügt sich bei den Portraits nicht mit der Darstellung im Profil. Sie experimentiert auch mit dem schwierigen Halbprofil und schneidet Köpfe von vorne. Die aspektivische Darstellung, welche Berta von Böventer fordert (SAW Heft 2), ist nicht auf das Profil beschränkt, sie kann auch bei der en face – Darstellung realisiert sein.
Ein besonders eindrucksvolles Beispiel ist das Selbstbildnis von Doris Holzknecht. Gesicht, Haar, Hals und der Rahmen bilden eine Einheit, die flächig ist, auch wenn der Betrachter versucht, die plastische Form zu rekonstruieren. Innerhalb der Gesichtsfläche kann man zwei Bereiche unterscheiden: einmal die Augen mit den Wimpern, die ebenso in den Brauen enden wie die von oben kommenden Haarzwickel, dann der in eine Faltenstruktur eingefasste Mund. Diese beiden Bereiche sind verbunden durch einen starken Nasenbalken, dessen Flügel in den äußeren Faltenbogen übergehen. Man kann dieses Gesicht lesen wie eine Schwarzweiß – Struktur, man kann aber auch versuchen, den Ausdruck zu interpretieren, oder man kann fragen, was der beobachtende Blick der Künstlerin ins Auge gefasst hat. Vielleicht ist man froh, dass dieser Blick nicht auf einen selber gerichtet ist. Auch wenn der künstlerische Blick nicht werten will, könnte er doch eine Prüfung sein, die man zu bestehen hat.
1 Emma Brunner-Traut: Frühformen des Erkennens Aspektive im Alten Ägypten WBG 1963
Es sind sehr interessante und vielseitige Exponate. Die Künstlerin ist eine der ganz Großen und hat es in vielen Künstl. Gebieten weit gebracht und ihre Fähigkeiten immer weiter entwickelt. Sie hat auf vielen Ausstellung mitgewirkt und etliche Auszeichnungen erhalten.
Ich hoffe, daß sie uns mit noch vielen Werken bereichern wird.
Sybille Holzknecht