Helmuth Bögel
Autor(in) Otto Kirchner
SAW 05
Geboren 1927 in München
verheiratet, drei Kinder Studium der Geowissenschaften
Dissertation 1972Tätigkeit an der TU München, zuletzt Akademischer Direktor
Seit 1993 in Pension, Seit 1995 Antiquariat „Kunst & Stein“
Otto Kirchner zeichnet im folgenden Beitrag das Bild des Scheren- und Messerschneiders Dr. Helmuth Bögel dessen karikierende, mit viel Humor, Menschenkenntnis und wohlwollendem Schmunzeln gestaltete Schnitte ein Stück bayerische Schlitzohrigkeit und Lebensphilosophie verkörpern.
Da leider fast alle Schnitte nicht mehr im Original zugänglich sind, musste auf Maßangaben verzichtet werden.
Der Anfang Helmuth Bögel schneidet nicht, wie viele Scherenschneider, seit seiner Kindheit. Erste konventionelle Scherenschnitte entstanden 1946, also mit 19 Jahren. Wie es dazu kam, lässt sich nicht mehr rekonstruieren. Vielleicht spielte die Abneigung, nach der Natur zu zeichnen, eine gewisse Rolle (Helmuth Bögel absolvierte kurze Zeit eine künstlerische Ausbildung in der Blocherer Schule). Schon 1949 sind Bögels Scherenschnitte Kommentare zu menschlichen Verhaltensweisen. Auch das Erlebnis der Zeichenübungen wurde im Scherenschnitt dargestellt.
Die ersten Arbeiten wurden mit der Schere geschnitten. Seit 1960 verwendet Bögel zunehmend das Messer. Trotz der freieren Arbeitsmöglichkeit mit der Schere bietet das Messer wegen der geringen Festigkeit des Papiers Vorteile beim Schneiden feinerer Strukturen (Bögels Seil- und Wolkendarstellungen).
Der „Bögelstil“
Bereits 1949 schneidet Bögel die für ihn typischen dünnen Männchen. Er meint heute, wahrscheinlich habe er instinktiv empfunden, dass eine allzu naturnahe Gestaltung im Scherenschnitt wenig bringe beziehungsweise die Gefahr des Kitschigen zur Folge habe.
Helmuth Bögel hat schon früh den Knapp in die Hand bekommen (Deutsche Schatten- und Scherenbilder, um 1916). Dieses Buch ist heute noch das Standardwerk des Deutschen Scherenschnitts. Der „Schattenschnitter“ Engert hinterließ den stärksten Eindruck mit seinen expressiv betonten und dynamisch konstruierten Figuren. Für die Adalbertfigur (Männchen mit hohem Hut, sind in gewisser Weise die Karikaturen Feiningers ein Vorbild.
Berg und Ski
Mit dem Bergsteigen hat Bögel sein zentrales Thema gefunden. Berg und Stein sind ihm nicht nur als Geologe vertraut, bis 1953 war er auch aktiver Bergsteiger. Das „Liederbuch für Bergsteiger“ mit Scherenschnitt-Illustrationen von Helmuth Bögel ist 1967 erschienen. Ein Beispiel aus diesem Buch ist „Auf geht’s Franze“. Diese Buchseite zeigt nicht nur die graphische Einheit von Scherenschnitt und Notenblatt, sie zeigt auch, mit weIcher Schonungslosigkeit Bögel die Situation dargestellt hat: „Nimm mi ans Seil, die Wand wird mir z’steil“. Bögel sagt zu seinen Arbeiten: „Von Anfang an ist eine Neigung zum Skurrilen, zur Parodie und Persiflage sichtbar, und die Absicht, das lächerliche im Alltäglichen und das Kitschige im Pathos herauszustellen“.
Die surrealistische Übertreibung zeigt besonders schön „Über mir ein Überhangl“. Diese Qualitäten der Bögelschen Scheren-schnitte führte zu der Buchveröffentlichung mit Fritz Schmitt: „Parodie auf Berg und Ski“ (1978). Fritz Schmitt, erfahrener Bergsteiger und Schriftleiter der „Deutschen Alpenzeitung“, hatte Verse geschrieben, in denen er sich über das Verhalten des Menschen in den Bergen lustig macht. Helmuth Bögel hat zu diesen Versen die Bilder geschnitten. Diese Scherenschnitte sind nicht nur wegen der Thematik interessant, sondern auch wegen der formalen Gestaltung. Häufig werden von Bögel die realen Gegebenheiten in ein lineares Netzwerk verwandelt.
Von Helmuth Bögel gibt es zahlreiche farbige Arbeiten. Oft werden schwarze Schnitte farbig hinterlegt. „Alles geht“ sagt Bögel und meint damit die ganze Bandbreite vom klassischen Scherenschnitt bis zur Collage. Der eigentliche Scherenschnitt ist bei Bögel immer aus einem Stück, und es gibt so gut wie keine Binnenschnitte. Hier sei auch auf die sprachliche Originalität der Titel hingewiesen: „Ornamentaler Dino“, „Zufälliges Berggesicht mit gelbem Mond“. „Trüber Vogel auf tristem Papier“.
Auftragsarbeiten
Bei Helmuth Bögel kann man Exlibris in Auftrag geben mit Vorgabe nicht nur des Namens, sondern auch des Bildinhalts.
Ein Beispiel ist die Arbeit für den Musiker und Escherliebhaber Carlos Yaras . Hier spielt Bögel mit den räumlichen Vorstellungen, sowohl bei dem geschnittenen Escherkubus als auch bei den schwarzweißen Wandelementen und bei der Verbindung von Schrift und Bild, wo z.B. das Y in das Kabel übergeht.
Die Einladung zur Taufe
Von Helmuth Bögel gibt es so gut wie keine Faltschnitte. Da er in der Regel einfach schneidet, kommt er auch nicht in Versuchung, den Scherenschnitt symmetrisch zu verdoppeln. Eine Ausnahme gibt es allerdings: die Taufkarte für Fabian Leonardo . Das Baby liegt Inder Wiege; sichtbar sind nur die Händchen, die sich der Welt entgegenstrecken. Über dem Kind bilden die zusammengewachsenen Pinien ein Schutzdach, vielleicht ein Symbol für die beiden Eltern.
Kunst & Stein
Helmuth Bögel betreibt seit 1995 ein Antiquariat mit vorwiegend geologischer Literatur; daneben bietet er Kunst- und Scherenschnittliteratur sowie Originalscherenschnitte an. Mit deren Abbildungen schmückt er die Kataloge. In Heft 2 „Schwarz Auf Weiß“ hat Helmuth Bögel mit einer Annonce für „Kunst & Stein“ geworben.
Ich war Student bei Helmuth Boegel und habe einen wunderbaren Scherenschnitt von ihm. Titel „das gesunde Volksempfinden“. Er zeigt einen knueppelschwingenden gorillaehnlichen Menschen, der mit eine Keule hinter zwei Studenten (?) herlaeuft. Eine echte politische MAnifestation in den Sechzigern.
H.Lechner, Sao Paulo
Lieber Hem,
ich hab gerade alte Afghanistan Bilder gescannt, die ich Dir gerne senden möchte. Hab aber keine Adresse von Dir. Magst Du Dich rühren? Ich hoffe, dass es Dir gut geht!
Liebe Grüsse, Bernd
Hallo Herr Lammerer,
ich bin nicht sicher ob wir uns kennen. Ich bin Babsi, die Tochter von Helmut. Da er gar keinen Internetzugriff, respektive nicht mal einen Computer hat, konnte er sich nicht melden. Nur durch einen Zufall habe ich Ihre Nachricht gesehen (sie ist ja auch schon etwas länger zurück) aber wenn Sie mir die Bilder senden möchten, kann ich sie ihm weitergeben.
Dafür dass er bald 90 wird geht es ihm ganz gut, er ist natürlich nicht mehr so gut zu Fuß, aber es passt.
Über die Bilder würde ich mich freuen und er sich sicher auch.
Liebe Grüße
Barbara Riesinger
Die Scherenschnitte des Herrn Boegel sind etwas ganz besonderes. Sie sind auf hoechstem Niveau geplant und sehr grossem Koennen geschnitten.. Meine Mutter und ich haben bei meinen Besuchen immer ueber sie geredet und sie sehr bewundert.
Fam. Axel vBoeventer
Eine Würdigung:
Cernajsek, Tillfried: Helmuth Bögel, Geologe, Scherenschnittkünstler, Exlibriskünstler zum 90. Geburtstag. Eine Würdigung. – In: Mitteilungen der Österreichischen Exlibris-Gesellschaft. N.F. 72, Nr. 2, S.3 – 5, Illustr., Wien 2017.