Brigitte Springmann

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Autor(in) Otto Kirchner
SAW 24

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„Über mein Verhältnis zur Musik oder zur Natur habe ich nie nachgedacht – es war einfach der Reichtum meines Lebens“ sagt Brigitte Springmann und formuliert dann doch dieses Bekenntnis:
„Musik, Kunst, Literatur gehören für mich zusammen. Sie sind Rückzugsgebiete, Kraftquellen und Freiraum, das Gegengewicht zu den täglichen Anforderungen. Besonderen Stellenwert hat die Musik. Hierzu gehört auch eigenes Musizieren in Form von Sologesang und im Chor.

Schreiben (z.B. Verfassen von Artikeln für Schwarz Auf Weiß) erfordert hohe Konzentration und viel Zeit, beinhaltet jedoch die intensive Auseinandersetzung mit einem Thema und in Folge mit Sprache und ist daher am Ende immer ein Gewinn für mich selbst.

Mein Verhältnis zur Natur ist seit frühester Kindheit ein sehr intensives. Im Elternhaus, insbesondere durch meine Mutter; wurde der Grund dazu gelegt. Dabei interessieren mich neben pflanzen auch Tiere, Steine, Sterne. Von jeder Wanderung, aus jedem Land bringe ich einen Stein mit als Souvenir von meinem Weg.

Zu Pflanzen habe ich jedoch einen besonderen Bezug. Hier fühle ich mich zu Hause. Sie sind daher mein bevorzugtes Thema für Scherenschnitte. Hierfür bringe ich die ausgewählte Pflanze mit nach Hause, ich beobachte sie, beschäftige mich mit ihr über einige Tage und versuche, ihr Wesen zu ergründen. Dann kann ich sie für den Schnitt aufzeichnen. Oft ergeben sich aber während des Schnitts Änderungen oder Hinzufügungen.“

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Ein Beispiel des „bevorzugten Pflanzenthemas“ zeigen drei Weberkarden stehen aufrecht und ruhig in dem fast quadratischen Bild. Die schwarzflächigen, stacheligen Distelköpfe werden nicht nur von den eigenen Ranken eingekreist, sondern auch von den Zweigen des Weidenröschens. Dessen Früchte biegen sich wild und bizarr entlang der Zweige und bilden einen unruhigen Kontrast zu dessen großen Bogen. Sowohl an den Stängeln des Weidenröschens als auch der Disteln gibt es noch kleine, eingetrocknete Blattreste. Sie charakterisieren die beiden Pflanzen und sind gleichzeitig „notwendig“ für das Bild. Trotz der unruhigen Einzelheiten wirkt das Bild harmonisch. Für Spannung sorgen die abgeschnittene Karde und der unterbrochene Bogen des Weidenröschens.

Brigitte Springmann hat 1995 Scherenschnitte für die Taglieder und Traumlieder von Katharina Ferber geschnitten. Zum Gedicht „Heimweh“ gehört der Mohn.

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Die frontale Darstellung der zwei Blüten verbindet sie mit den Silhouetten der Blätter, der Knospen und der Samenkapsel. Während die Blattformen in den Ecken eher konventionell anmuten, gleicht das Innere der Blüten einer Landschaft mit einer geheimnisvollen Tiefe.

Für „Die Lerche“, eine der „Drei fabelhaften Kantaten“ von Manfred Bayer hat Brigitte Springmann die Welt aus der Sicht der bedrohten Vogelkinder dargestellt. Von dem Bauer sind nur die riesigen Stiefel und der Stock zu sehen.

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Noch eindrucksvoller setzt sie diese „Ausschnitt-Technik“ in der Kantate „Die Igel“ ein. „Im Frühling erst sind sie erwacht…“ zeigt die ganze Szene. Die Heckenrosen haben noch keine Blätter, nur Früchte des Vorjahres hängen noch an den Zweigen. Umso sichtbarer ist der Vogel, dessen Gesang nicht nur gegen die dunkle Tanne gerichtet ist, sondern auch die Igel aufwecken soll.
Der Streit der Igel ist dagegen nur mit den Stacheln dargestellt, die sich ineinander bohren – eine fast abstrakte Darstellung der Aggression.  Diese Methode erinnert an die Zoomtechnik, bei der das wichtige Detail „herangeholt“ und vergrößert wird.2-09
Brigitte Springmann hat dem Text über ihr Verhältnis zur Kunst und zur Natur noch zwei Sätze hinzugefügt:„Da ich Linkshänderin bin, schneide ich mit der linken Hand. Ich bevorzuge schwarzes Papier, nehme aber oft als Doppel weißes Papier oder auch farbiges Origamipapier.“
Sie meinte auf die Nachfrage, dass das Schneiden mit der linken Hand im Grunde nicht anders sei als das mit der rechten. Auch beim fertigen Schnitt lässt sich kein Unterschied feststellen, es sei denn, man will die besondere Sorgfalt darauf zurückführen.

Die Gräser sind ein weiteres Beispiel für die perfekt komponierten und geschnittenen Arbeiten der Scherenschneiderin Brigitte Springmann.

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In SAW 13 hat die Linkshänderin Gisela Schermer vom „Mangel als Gewinn“ gesprochen. Im Gegensatz zu anderen handwerklichen Techniken wurde beim Scherenschnitt nicht vorgeschrieben wie er zu machen sei. Diese Freiheit .ist wohl Voraussetzung für die Entstehung von eigenständiger Kunst.

Der erste Artikel von Brigitte Springmann ist in SAW 5 erschienen. Sie beschreibt darin, den von ihr erworbenen Scherenschnitt „Besseres Paar fliegt nach Wien“ von Helmuth Bögel. Es war nicht nur der Anfang zahlreicher Beiträge für Schwarz Auf Weiß, sondern auch der Beginn einer fruchtbaren Zusammenarbeit während der Redaktion von Helmuth Bögel. Die stärkste Wirkung eines Artikels in Schwarz Auf Weiß ist von dem Bericht von Brigitte Springmann über die Hilbentritsche ausgegangen. Ganze Reihen von Scherenschneiderinnen sind angeregt worden, neue Scherenschnittwesen und auch -unwesen zu erfinden.

Wir hoffen und wünschen, dass noch mehr Beiträge von ihr folgen werden und dass die täglichen Anforderungen ihr genügend Raum lassen für die Beschäftigung mit Musik, Kunst und Literatur und damit auch für den Scherenschnitt.

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