Käthe Reine

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* 20.12.1894 in Halver (Westfalen)
† 24.02.1976
Autor(in) Gudrun Mohr
aus Vereinszeitung SAW 21

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Fröhlichkeit und Entgegenkommen waren der Künstlerin Käthe Reine offensichtlich in die Wiege gelegt. Noch heute wird erzählt, dass sie von keinem Einkauf zurückkam, ohne mit jemand geplaudert oder Bekannte nach dem Befinden gefragt zu haben. Und das trug sich im als wortkarg gescholtenen Mecklenburg, in Rostock, zu! Erfährt man aber Näheres zur Herkunft der Künstlerin, ist fast alles klar. Bis ins Rheinland reichen ihre familiären Wurzeln. Ihre Mutter stammte aus Wesel am Niederrhein und war reformierten Glaubens, was auf eine hugenottische Herkunft verweist. Der katholische Vater kam aus Giershagen. Käthe Reine wurde am 20. 12. 1894 in Halver (Westfalen) geboren. Sie war die dritte Tochter des Bierbrauers und Unternehmers Johannes Reine und seiner Frau Sophie, geb. Köther. 1895 schon zog die Familie nach Rostock. Hier war der Vater an der Gründung der ersten Fabrik für nichtalkoholische Getränke beteiligt, deren alleiniger Inhaber er später wurde und die er mit wirtschaftlichem Erfolg führte. Für die Familie, der fünf Jahre nach Käthe noch ein Sohn geboren wurde, kaufte er 1912 im seinerzeit sehr beliebten Ausflugsort Gehlsdorf, auf dem östlichen Warnowufer gelegen, eine Villa. Abgesehen von wenigen Unterbrechungen wurde dieses Haus zu Käthe Reines Lebens- und künstlerischem Schaffensplatz.

Käthe Reine besuchte eine private Töchterschule in Rostock. Ihre musikalischen und zeichnerischen Interessen wurden beachtet und gefördert. Den ersten, auf eine Berufsausbildung gerichteten Zeichenunterricht erhielt sie bei der Rostocker Malerin Fanny Bernhard, was sie in die Lage versetzte, sich 1914 mit Erfolg an der Kunstgewerbeschule Düsseldorf bewerben zu können. Da in jener Zeit Frauen der Zugang zum Studium an der Düsseldorfer Akademie noch verwehrt war, übernahm die Kunstgewerbeschule sozusagen den „akademischen Part“ für die Schülerinnen, denn Professoren der Akademie unterrichteten hier die Fächer Akt, Landschaft, Komposition, Tierstudien usw. 1917 kehrte sie nach Rostock zurück und entwickelte im Künstlerkreis um Fanny Bernhard ihre Vorliebe für mecklenburgische Landschaftsmotive, Partien an der Warnow, am Ostseestrand bei Graal-Müritz, Motive in der Rostocker Heide und Stadtansichten von Rostock. Später wählte sie gern Blütenbilder – vor allem von ihren selbst gezogenen Blumen – und Stillleben als weitere Motive.

Die schwierige wirtschaftliche Situation nach dem Ersten Weltkrieg und die Inflationszeit machten um die Künstler keinen Bogen, im Gegenteil. Nicht nur, dass der Krieg Käthe Reine den geliebten Bruder nahm, sie musste nun mit ihren Talenten zuerst den Lebensunterhalt verdienen. Hier kam ihr die solide kunstgewerbliche Ausbildung zugute, so dass sie von 1922 bis 1925 für das Modehaus Gustav Zeeck, einer guten Adresse in Rostock, die Entwürfe dekorativer Stickereien für Kissen, Decken und andere Textilen anfertigen und sich an deren Herstellung beteiligen konnte.

Seit 1917 veröffentlichte Käthe Reine Scherenschnitte, zuerst in Familienzeitschriften, bald aber auch größere Arbeiten, mit denen sie sich seit 1918 an verschiedenen Kunstausstellungen beteiligte.
Ihre ausgeprägte Kollegialität mag wohl auch ein Grund dafür gewesen sein, im März 1922 die Gründung des „Mecklenburgischen Künstlerbundes“ auf den Weg zu bringen. Sie suchte den bekannten Rostocker Maler Paul Wallat auf und regte den Zusammenschluss der in Gehlsdorf wohnenden Malerinnen und Maler an. Dabei spielten auch die Inspirationen eine Rolle, die von bekannten Künstlerkolonien wie Worpswede oder Dachau ausgingen. Die Mitglieder des nun seit März 1922 existierenden „Mecklenburgischen Künstlerbundes“ – Käthe Reine war bis 1925 dessen Schriftleiterin – stellten über zehn Jahre lang oft und erfolgreich gemeinsam aus.

1927 ging Käthe Reine für zwei Jahre nach Oberbayern. Im Januar 1927 nahm sie eine Anstellung als Zeichen- und Handfertigkeitslehrerin am Landeserziehungsheim in Kochel am See an. Der Orden der St. Anna–Schwestern hatte die Anstalt erst wenige Jahre zuvor eingerichtet. Auch den Lehrkräften stand die Künstlerin in methodischen Fragen gern zur Seite und beteiligte sich an der bildkünstlerischen Ausgestaltung des Hauses. Erhalten geblieben ist die Fotografie eines Wandfrieses, für den sie eine Scherenschnittvorlage schuf.


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Es muss eine inspirierende Zeit für sie gewesen sein, über welche sie 1946 rückblickend schrieb: „Die dauernde Verbindung mit München, mit Schriftstellern, Kunstgewerblern, vor allem die Anregungen durch die von mir inszenierten Spiele auf der Hausbühne sind fördernd für meine Scherenschnitte gewesen; in Kochel entstanden die meisten weihnachtlichen oder das Marienleben darstellenden Scherenschnitte“. Diese „Marienbilder“ sind eine ganze thematische Gruppe innerhalb ihres Werkes, das glücklicherweise noch umfänglich erhalten ist.
 
 
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Eine Ausstellungsbesprechung aus dem Jahr 1929 findet über ihre Scherenschnitte folgende anerkennenden Worte: „Die bewegte Umrisslinie, die lebendige und bei allem immer noch klare Durchbildung der Gruppen gelingen Käthe Reine im ganzen wie auch in den zarten Feinheiten des Einzelnen gleich sicher. Sie bringt es fast immer zu einer frischen und unmittelbaren Komposition.
Die Gliederung ist ebenso bewegt wie künstlerisch gesammelt. Eine dekorative Großzügigkeit er-
reicht Käthe Reine in den sehr hübschen Schlussstücken. Humorvolle Charakterisierungsgabe
beweist sie in den Karikaturen, die sich mit den Klatschbasen und anderen philiströsen Reizgegenständen befassen…“
 
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Während Käthe Reine sich in ihren Aquarellen und Ölbildern nur selten mit der menschlichen Gestalt beschäftigte, sind die „lieben Mitmenschen“ in ihren Scherenschnitten zahlreich vertreten. Mit sicherem Schnitt erfasst sie hier Pose und Gestik und gibt ihren Arbeiten gelegentlich sogar eine heiter-ironische Note. Als Beispiele seien hier die schon erwähnten „Klatschbasen, dazu der „Kuss“ und die „Maischollen–Olsch“ vorgeführt.

 

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 (Letztere war eine mit einem losen Mundwerk ausgestattete Fischverkäuferin, ein stadtbekanntes Rostocker Original).
1925/26 erschienen im Volksvereinsverlag Mönchengladbach zwei attraktive Märchenausgaben mit 39-06kthe reineScherenschnitten von Käthe Reine, und zwar zu „Grimms Märchen“ und „Andersens Märchen“. Mit diesen Arbeiten, die dort in Originalgröße (ca. Format A 4) aufgenommen wurden, stellte sich die Künstlerin in die erste Reihe der erfolgreichsten Märchenillustratoren auf dem Gebiet des Scherenschnitts. Die beiden Buchausgaben brachten Käthe Reine neben einer guten deutschen Presse auch anerkennende Notizen in der Schweiz und in Österreich ein. Die Bayerische Staatsgalerie erwarb Originale und Reproduktionen ihrer Scherenschnitte. Ihre zehn ebenso überzeugenden Schnitte zu den „Hauff–Märchen“liegen nun schon seit über siebzig Jahren vor, leider bisher ungedruckt, genauso wie eine ganze Kollektion wunderschöner kolorierter Federzeichnungen zu lebensphilosophischen Motiven.
Nach 1933 scheint sich manches gewendet zu haben, notierte sie doch: „Nach der Ausstellung [19]33 innerhalb der Heimatwoche sah ich mich gezwungen, meinen endgültigen Austritt aus dem Mecklenburgischen Künstlerbund zu tun, ich habe später mal einer Aufforderung zur Ausstellung im Rostocker Museum Folge geleistet, auch [19]35 einer im Landesmuseum [Schwerin]. Da die Zeitschriften, die meine Scherenschnitte brachten, fast restlos im dritten Reich verboten wurden, brachte ich im Selbstverlag einen Teil meiner Schnitte heraus, die ich in ganz Deutschland und z. T. in Holland verkaufen ließ.“
 
01reineMit diesem „Kunstpostkarten-Verlag“ versuchte sie, sich während des Zweiten Weltkrieges über Wasser zu halten. Sie verarbeitete ihre Scherenschnitte zu Kinder-, Glückwunsch- oder Festtagskarten, auch zu Tischkarten und ähnlichen Druckerzeugnissen. Interessant daran ist, dass sie hier ihre Scherenschnitte manchmal kolorierte oder gelegentlich mit einem farbigen Hintergrund (Papier oder Stoff) versah. Aus dieser Zeit sind auch Versuche mit farbigen Papieren erhalten. In ihrem Kunstpostkarten–Verlag produzierte sie auch gezeichnete Kinderkarten, deren Motive allerdings weit entfernt vom Kriegsalltag lagen und mit denen sie wohl in erster Linie Zeitgeschmack bediente.
Nach Kriegsende 1945 schloss sich die Künstlerin der Sektion Bildende Kunst des „Kulturbundes zur demokratischen Erneuerung Deutschlands“ an. Zumindest in der Anfangszeit fand die „namhafte Künstlerin“ hier Gleichgesinnte in ihrer selbst formulierten Zielsetzung: „…durch gute Leistung und ehrliche Kollegialität die Ehre des deutschen Künstlers, damit die Erneuerung unseres Vaterlandes wieder herzustellen und zu festigen.“ Aber die immer stärkere Ideologisierung des künstlerischen Schaffensprozesses in den folgenden Monaten und dann später generell in der DDR hat Käthe Reines Werk nur noch wenig Raum gegeben. Allein ihre bürgerliche Herkunft, aber auch ihre Motivwahl standen der favorisierten „proletarischen Kunst“ und dem „künstlerischen Abbild des arbeitenden Menschen“ entgegen. In den 50er Jahren brachten lokale Ausgaben der Tageszeitungen wie „Der Demokrat“ (CDU–Zeitung) hin und wieder Scherenschnitte im Sinne von Vignetten oder Illustrationen zu unterhaltenden Texten. Wie weit sich Käthe Reine an den Arbeitsausstellungen der Künstler des Bezirkes Rostock noch beteiligte, konnte nicht ermittelt werden. Bekannt aber ist, dass sie bis in ihr letztes Lebensjahr hinein weiter aquarellierte und malte. Dafür spricht auch das schöne Altersbild, auf welchem die sympathische Künstlerin nicht ohne Stolz ihre neuesten Arbeiten zeigte.
Käthe Reine starb am 24.2.1976. Ein Jahr später würdigte die Kunsthalle Rostock mit einer Gedächtnisausstellung Leben und Werk. Seither ist es still geworden um diese talentierte mecklenburgische Künstlerin und ihr vielseitiges Schaffen.
 
 
Für ein herzliches Dankeschön an Frau Dr. Elisabeth Schnitzler in Rostock habe ich allen Grund. Voller Vertrauen gab sie mir Gelegenheit, das Werk ihrer Tante Käthe Reine kennen zu lernen. Selbst schon im 90. Lebensjahr stehend, hütet sie den Nachlass der Künstlerin in vorbildlicher, verantwortungsvoller Weise. Es wäre ihr sehr zu wünschen, dass sie dabei bald Hilfe erhielte. 
Quellenangaben:
* Lebenslauf von Käthe Reine vom 10.6.1946 (unveröffentlicht)
* Freuck, Christiane: Käthe Reine, KunstmalerinIn: Kulturkalender – unterwegs in Mecklenburg-Vorpommern. – Rostock (2000), H. 4 S. 38
* Grimms Märchen in Scherenbildern von Käthe Reine. – Weinheim: Bezirkssparkasse, 1990. –
(Reprint der Ausgabe aus dem Jahr 1925)
* div. Zeitungs- und Zeitschriftenausschnitte aus den 20er, 30er und 50er Jahren des 20. Jh. mit Ausstellungsberichten und Reproduktionen von Scherenschnitten aus der Sammlung von Frau
Dr. Schnitzler
 

6 Antworten

  1. Heide Niemann-Rabe sagt:

    Ich bin Gehlsdorferin (geb. 1942) und mit den Namen und Bildern von Käthe Reine, Georg Kaulbach, Thuro Balzer … aufgewachsen, denn meine Eltern verehrten viele Mecklenburger Maler, besonders aber die Gehlsdorfer. So besitzen meine Geschwister und ich Aquarelle und Ölbilder von ihnen, die wir von unseren Eltern geerbt haben. Gerne wüsste ich, welche Villa in Gehlsdorf die Familie seit 1912 bewohnte. Können Sie mir helfen? Herzlichen Dank.

  2. Birgit Sommer sagt:

    Mit Freude hab ich den Bericht von Ihnen gelesen. Käthe Reine war die Tante meiner Mutter. Umgeben von vielen Öl- und Aquarellbildern von „Tante Käthe“ bin ich aufgewachsen. Selber künstlerisch talentiert, war sie mir immer ein Vorbild. Leider hab ich sie nicht kennengelernt und wusste von Rostock nur, dass es dort Verwandte gab, denen wir regelmäßig Pakete schickten. Nach dem Tod meiner Mutter bin ich jetzt im Besitz dieser Bilderund weiß jetzt auch, vom wem die kunstvollen Weihnachtsscherenschnitte stammen. Einen lieben Gruß aus dem Sauerland
    Birgit Sommer

  3. Heinz Hoppe sagt:

    Hallo Frau Sommer,
    auf der Suche nach einer Verbindung mit der Küstlerin Kähte Reine bin ich auf Sie gestoßen.
    Eine Bekannte von uns besitzt durch Vererbung ein sehr schönes Ölgemälde, ca 120 x 90cm.
    Es zeigt das alte Stadtpanorama von Rostock vom Wasser aus,signiert mit “ K. Reine.“.
    Sie würde das Bild gerne an eine Person oder Institution mit Bezug zur Künstlerin verkaufen.
    Kennen Sie eine Möglichkeit?

    m.f.G
    Heinz Hoppe

  4. Heinz Hoppe sagt:

    Hallo Frau Sommer,
    auf der Suche nach einer Verbindung mit der Künstlerin Kähte Reine bin ich auf Sie gestoßen.
    Eine Bekannte von uns besitzt durch Vererbung ein sehr schönes Ölgemälde, ca. 120 x 90 cm.
    Es zeigt das alte Stadtpanorama von Rostock vom Wasser aus gesehen,signiert mit “ K.Reine.“.
    Sie würde das Bild gerne an eine Person oder Institution mit Bezug zur Künstlerin verkaufen.
    Kennen Sie eine Möglichkeit?
    m.f.G

    Heinz Hoppe

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